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Eine Bankenunion für Wachstum und Stabilität

In der politischen Debatte zeichnet sich ein neues Konzept zur Lösung der Leiden in der Eurozone ab: eine Bankenunion. Die Debatte über eine solche

Publishing date
26 June 2012

An English version of this article was published as A banking union for growth

In der politischen Debatte zeichnet sich ein neues Konzept zur Lösung der Leiden in der Eurozone ab: eine Bankenunion. Die Debatte über eine solche Union steht ganz oben auf der Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels. Reden Politiker jetzt über die Rettung von Banken anstatt, wie ursprünglich geplant war,  über Möglichkeiten, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen? Bei näherer Betrachtung liegt hier kein Widerspruch vor – einer der Hauptgründe für geringes Wachstum in Europa ist die Unsicherheit über die Zukunft des Euros, und dies ist untrennbar verbunden mit der Idee einer Bankenunion. Hier ist die Begründung.

Beginnen wir mit der Idee einer Bankenunion. Die Begründung   ist recht geradlinig. Die jüngsten Entwicklungen haben Schwächen des Euroraums zu Tage gelegt. Erstens: Der bisher integrierte Finanzmarkt des Euroraums tritt in einen Prozess der Fragmentierung ein. Banken waren in ruhigen Zeiten europäisch, wurden jedoch national in Krisenzeiten, da sie nun von ihren nationalen Regierungen abhängig sind, um gerettet zu werden. Dies wiederum hat einige Regierungen an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht, insbesondere da Verluste oft nicht an Bankgläubiger weitergegeben wurden. Zudem stellt es die Stabilität des gesamten Finanzsystems und sogar des Euros in Frage.  Darüber hinaus haben nationale Behörden die grenzüberschreitende Kreditvergabe erschwert.

Diese Fragmentierung des Finanzsektors hat die Europäische Zentralbank (EZB) in eine exponierte Lage befördert, da sie die Kapitalabflüsse des privaten Sektors durch EZB-Liquidität ersetzen musste. Die EZB schiebt nun, mit Recht, die Verantwortung für die massiven Probleme des Bankensektors in das Regierungslager zurück und fordert diese auf, sich dem Thema zu widmen.

Die Finanz-Fragmentierung hat zu einer enormen finanziellen und politischen Unsicherheit geführt; sogar ein Auseinanderbrechen des Euroraums wird nun diskutiert. Diese Unsicherheit hat schwere negative Auswirkungen auf Wachstum, Arbeitsplätze und Investitionen. In der Tat, ausländische Investoren reduzieren immer mehr ihre Investitionen in Europa und inländische Investoren verringern ihre Investitionen aus Angst vor einer Fragmentierung des Euroraums. Insbesondere Investitionen in Südeuropa, wo Investitionen gerade dringend benötigt werden, werden stark eingeschränkt. Aber auch in Deutschland verlangsamt sich trotz robuster Fundamentaldaten die Investitions- und in einem weiteren Sinne die Wirtschaftstätigkeit aufgrund der Unsicherheit über die aktuelle  Lage.

Eine Bankenunion wäre eine Möglichkeit, zu Stabilität zurückzukehren. Sie kann daher als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Überwindung der Krise wie auch zur Erzeugung von Wachstum gesehen werden. Wie könnte solch eine Bankenunion aussehen, was würde sie voraussetzen, und wie könnte sie zu weniger Unsicherheit führen? 

Eine Bankenunion würde die Verantwortlichkeit für Einlagensicherung, Bankenaufsicht und Krisenbewältigung der EU-Ebene zuweisen. Sie darf aber nicht missverstanden werden - als ein Mechanismus, die Altlasten im Euroraum auf den Steuerzahler in Deutschland und anderen Ländern zu verteilen.

Einlagensicherungen dienen dem Zweck, einen bank run zu verhindern. Durch den Schutz der Sparer werden diese ihre Ersparnisse bei der Bank behalten.  Dies erhöht die Stabilität des Bankensystems und trägt damit zur Förderung von Wachstum bei. Wie wir derzeit sehen, ist eine rein nationale Rückversicherung nicht ausreichend, um die massiven Kapitalabflüsse zu verhindern. Im Endeffekt steigt damit sogar das Risiko für den deutschen Steuerzahler, da die EZB nun diese Kapitalabflüsse ersetzt und Deutschland als größter Anteilseigner auch den größten Teil der möglichen Verluste der EZB tragen müsste.

Um die Wirksamkeit der Einlagensicherung zu sichern, müssten die europäische Regierungen gemeinsam die Sparer im Euroraum schützen. Dies ist ein großer politischer Schritt, da er Zahlungen von einem Land in ein anderes bedeuten könnte. Er würde aber das Risiko für die EZB reduzieren und somit die Aufgabenteilung zwischen Fiskal- und Geldpolitik wieder richtigstellen.  

Zweitens: Eine Bankenunion würde die Bankenaufsicht in ganz Europa zentralisieren. Dies wäre das notwendige Pendant zur Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung wie auch zu einem gemeinsamen Resolutionssystem. Eine Mutualisierung der Risiken bedeutet auch, dass man die Kontrolle über Risiken zentralisiert, da sonst jedes Land einen grossen Anreiz hätte, Banken nur schwach zu überwachen und die Verluste auf die Steuerzahler anderer Länder abzuwälzen. Die Schaffung einer gemeinsamen Bankenaufsicht ist daher unabdingbar.

Drittens, es muss auch eine gemeinsame Resolutionsbehörde geschaffen werden. Wird eine Bank insolvent, ist ein geordneter Prozess nötig, um die Insolvenz zu bewältigen. Dieser Prozess sollte idealerweise die Kosten für die Steuerzahler minimieren und gleichzeitig die Stabilität des Finanzsystems sichern und die wichtigsten Funktionen der Bank erhalten. Dies erfordert eine starke politische Autorität und technisches Know-how. Der grenzüberschreitende Charakter des Europäischen Bankensystems bedeutet auch, dass eine Europäische Behörde diese Funktion am effizientesten ausüben kann.

Der Weg zu einer gemeinsamen Europäischen Bankenunion ist sicherlich schwierig. Allerdings ist es klar geworden, dass ein stärker zentralisierter Ansatz für Banken notwendig ist, wenn Europa wieder zu Stabilität und Belastbarkeit zurückkehren möchte. Beschliesst der Europäische Rat bei seiner Tagung Ende dieser Woche einen klaren und detaillierten Routenplan für eine Bankenunion, so wäre dies ein wichtiges Signal, um Vertrauen wiederherzustellen.

Ein solcher Fahrplan würde im Idealfall auch klar darstellen, wie der aktuelle Schuldenüberhang im spanischen Bankensektor zwischen Gläubigerbanken, nationalen, und europäischen Steuerzahlern verteilt werden könnte. Das Ziel sollte sein, staatliche Kosten der Umstrukturierung zu minimieren, und gleichzeitig Verluste solchen Gläubigern aufzuerlegen, die die riskantesten Kredite an Banken vergeben hatten. Eine Bankenunion sollte also nicht missverstanden werden als eine Möglichkeit, die Probleme des spanischen Bankensektors auf die Schultern des deutschen Steuerzahlers überzuwälzen. Hier sind vor allem die Gläubiger spanischer Banken gefordert.

Klare Regeln werden dazu beitragen, Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und eine Stabilitätsunion für den Euro zu schaffen. Diese Stabilität ist umgekehrt einer der wichtigsten Faktoren für mehr Wachstum in Europa. Sich auf das Bankenproblem zu fokussieren, ist sicherlich das Beste, was die europäischen Politiker im Rahmen des EU-Gipfels für Wachstum und Jobs machen können.

In einem neuen Papier „What kind of European Banking Union?“ analysieren wir im Detail, wie eine Bankenunion aussehen kann und wie man sie erreichen kann.

About the authors

  • Guntram B. Wolff

    Guntram Wolff is a Senior fellow at Bruegel. He is also a Professor of Public Policy and Economics at the Willy Brandt School of Public Policy. From 2022-2024, he was the Director and CEO of the German Council on Foreign Relations (DGAP) and from 2013-22 the director of Bruegel. Over his career, he has contributed to research on European political economy, climate policy, geoeconomics, macroeconomics and foreign affairs. His work was published in academic journals such as Nature, Science, Research Policy, Energy Policy, Climate Policy, Journal of European Public Policy, Journal of Banking and Finance. His co-authored book “The macroeconomics of decarbonization” is published in Cambridge University Press.

    An experienced public adviser, he has been testifying twice a year since 2013 to the informal European finance ministers’ and central bank governors’ ECOFIN Council meeting on a large variety of topics. He also regularly testifies to the European Parliament, the Bundestag and speaks to corporate boards. In 2020, Business Insider ranked him one of the 28 most influential “power players” in Europe. From 2012-16, he was a member of the French prime minister’s Conseil d’Analyse Economique. In 2018, then IMF managing director Christine Lagarde appointed him to the external advisory group on surveillance to review the Fund’s priorities. In 2021, he was appointed member and co-director to the G20 High level independent panel on pandemic prevention, preparedness and response under the co-chairs Tharman Shanmugaratnam, Lawrence H. Summers and Ngozi Okonjo-Iweala. From 2013-22, he was an advisor to the Mastercard Centre for Inclusive Growth. He is a member of the Bulgarian Council of Economic Analysis, the European Council on Foreign Affairs and  advisory board of Elcano.

    Guntram joined Bruegel from the European Commission, where he worked on the macroeconomics of the euro area and the reform of euro area governance. Prior to joining the Commission, he worked in the research department at the Bundesbank, which he joined after completing his PhD in economics at the University of Bonn. He also worked as an external adviser to the International Monetary Fund. He is fluent in German, English, and French. His work is regularly published and cited in leading media. 

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