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Anpassen und vermeiden

Publishing date
01 October 2012

Interview mit Bruegel-Forscher Georg Zachmann über die Klimapolitik der EU

Die Klima- und Energiepolitik ist in aller Munde. Sie haben soeben ein neues Buch[1] zu diesem Thema vorgelegt, das von Bruegel und der volkswirtschaftlichen Abteilung der Europäischen Investitionsbank EIB herausgegeben wird. Wie kam es dazu, was war die Leitfrage?

Es geht um ökonomische Fragen: Was ist der optimale Policy-Mix, um den Klimawandel aufzuhalten? Wie können wir grüne Investitionen fördern? Kann die Klimapolitik wachstumsfreundlich gestaltet werden? Ursprünglich war nur eine gemeinsame Konferenz geplant, nun ist ein Buch daraus geworden.

Sie schreiben, dass sowohl Anpassung an den Klimawandel als auch Vermeidungsstrategien nötig sind. Heißt das, dass Sie nicht mehr daran glauben, dass sich die Klimakatastrophe noch abwenden lässt?

Dass sich der Klimawandel komplett vermeiden ließe, glauben auch die Experten des IPCC nicht. Sie gehen davon aus, dass die Chancen, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, nur bei 50 Prozent liegen, und selbst um das zu erreichen müssen wir bedeutende Vermeidungskosten in Kauf nehmen. Wir müssen also alles tun, um einen stärkeren Klimawandel zu vermeiden, uns zugleich aber an die erwarteten Folgen anpassen.

Heißt das höhere Deiche bauen?

Ja, höhere Deiche gehören auch dazu. Wir müssen aber auch die Effekte des Klimawandels untersuchen und etwa dafür sorgen, dass kein Bauland in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen wird.

In Europa stand bisher die Vermeidung im Vordergrund. Ist man auf diese neue Herausforderung überhaupt vorbereitet?

In der Tat ist Anpassung wichtig. Unter der zypriotischen EU Präsidentschaft wird die EU auch eine entsprechende Anpassungsstrategie vorlegen. Der optimale Pfad aus Anpassung und Vermeidung kann sogar berechnet werden, dies haben wir in unserem Buch gezeigt. Allerdings kann Europa allein kann den Klimawandel unmöglich verhindern, denn die europäischen CO2-Emissionen machen nur zehn Prozent der weltweiten Klimagase aus. Wenn die anderen nicht mitziehen läuft es darauf hinaus, weniger zu vermeiden und sich stärker anzupassen - denn die Entscheidungen zur Klimapolitik fallen nicht nur in der EU, sondern auch in den USA, China usw. Europa muss also flexibel bleiben.

Ist die europäische Klimapolitik denn flexibel genug?

Das ist ein sehr schwieriges Problem. Die Industrie will langfristige Investitionssicherheit und klare Preissignale. Die EU hingegen muss flexibel bleiben, um auf die Haltung der anderen Länder zu reagieren. Derzeit laufen die Verhandlungen für eine Weltklimapolitik ab 2015. Ich rechne damit, dass die EU ihre Linie spätestens 2020 neu definieren wird.

Viele EU-Länder haben mit Budgetproblemen zu kämpfen, gleichzeitig schwächelt das Wachstum. Kann die Klima- und Energiepolitik hier weiterhelfen, gibt es ein grünes Wachstum?

Eine gute Klimapolitik ist kostenneutral für den Staatshaushalt, im besten Fall sorgt sie sogar für Wirtschaftswachstum und höhere Steuereinnahmen. Allerdings kommt es auf den richtigen Politikmix an. Oft wird nicht klar zwischen Klimapolitik, Energiepolitik und Technologiepolitik unterschieden, auch die Steuerpolitik ist ein Problem. Wenn es gut läuft, kann eine „grüne“ Politik helfen, saubere Zukunftstechnologien zu fördern. Wenn es schlecht läuft, geht man das Risiko ein, eine wirtschaftsfeindliche Politik zu machen, und noch weniger Wachstum zu haben. Fest steht, dass wir eine Politik der Dekarbonisierung machen müssen - sozusagen als Versicherungspolice gegen den Klimawandel. Wir sollten versuchen, sie so gut wie möglich zu konzipieren, um Wachstum zu sichern. Allerdings wäre es falsch, Klimapolitik als grüne Wachstumspolitik anzupreisen, dafür sind die Probleme zu komplex.

Man kann die Klimapolitik nicht allein den Märkten überlassen, heißt es in Ihrem Buch. Doch die EU setzt mit ihrem Emissionshandel auf ein marktbasiertes System...

Der Markt allein kann es nicht richten, denn er arbeitet mit Preisen, und CO2 hat zunächst gar keinen Preis. Insofern war es völlig richtig, den Emissionshandel einzuführen. Er ist ein beeindruckendes Instrument, zumindest in der Theorie. In der Praxis haben wir das Problem, dass der Handel mit Emissionszertifikaten nur 50 Prozent der Produktion abdeckt, und dass der Preis vergleichsweise niedrig ist.

Was kann man dagegen tun?

Es wäre sinnvoll, weitere Sektoren wie den Transport oder die Haushalte in das Handelssystem aufzunehmen. Das würde einen repräsentativeren Preis schaffen. Diskutiert wird auch, eine Untergrenze für den CO2-Preis einzuführen, oder einige Emissionsrechte aus dem Markt zu nehmen, um den Preis zu stabilisieren. Wir schlagen eine andere Lösung vor, die langfristig für Investitionssicherheit sorgt.

Wie sieht diese Lösung aus?

Der Staat oder eine staatliche Bank könnte Optionskontrakte anbieten, so dass man Emissionsrechte in der Zukunft zu einem bestimmten Preis verkaufen kann, z.B. zu 20 Euro. Liegt der Marktpreis dann immer noch niedriger, so streicht der Verkäufer einen Gewinn ein. Liegt er hingegen höher, so ist es ein gutes Geschäft für den Emittenten. Mit diesem Modell, das einer Put-Option auf den Finanzmärkten ähnelt, könnte man den Staat an künftige Preise binden und so dafür sorgen, dass er sich auch um die nötige Klimapolitik kümmert. Es macht einfach keinen Sinn, das Risiko nur auf den Schultern der privaten Investoren zu lassen, denn sonst werden nur kurzfristige Vermeidungsstrategien umgesetzt.

Aber auch der Staat macht Fehler. Sie haben sogar einen Konzeptrahmen entwickelt, um falsche Politiken erkennen zu können. Können Sie das erläutern?

Ja, unser Konzeptrahmen erlaubt uns zu zeigen, dass häufig falsche Instrumente gegen das Marktversagen eingesetzt werden. Zum Beispiel versucht Deutschland, eine Fliege mit mehreren Klappen zu schlagen. Einerseits versucht man über den CO2-Preis zu steuern, andererseits werden Erneuerbare Energien im Stromsektor massiv gefördert. Dies führt jedoch zu einem Überfluss von CO2-Rechten und damit zu einem Preisverfall. Am Ende wird zwar weniger Steinkohle zur Stromgewinnung genutzt, dafür aber mehr Braunkohle. Die saubersten erneuerbaren Energien helfen so indirekt den dreckigsten. Immerhin hat man das Problem inzwischen erkannt und versucht gegenzusteuern.

Wie beurteilen Sie die deutsche Energiewende?

In der Energiepolitik ist Glaubwürdigkeit enorm wichtig, da es um sehr langfristige Investitionen geht. Die Energiekonzerne haben Angst vor einer indirekten Enteignung und fordern daher hohe Risikoprämien wenn sie in neue Energieträger investieren. Insofern war der kurzfristige Ausstieg aus der Kernenergie der Förderung erneuerbarer Energien abträglich, da er gezeigt hat wie schnell und unvorhersehbar sich regulatorische Bedingungen im Energiesektor ändern können. Deutschland muss dafür sorgen, dass es seine Glaubwürdigkeit für Investoren behält - oder den Energiesektor verstaatlichen. Großbritannien ist übrigens gerade dabei, sich für den zweiten Weg zu entscheiden. Alle Kraftwerksinvestitionsentscheidungen sollen dort in Zukunft auf technologiespezifischen staatlichen Fördermaßnahmen basieren.

Die Fragen stellte Eric Bonse


[1] Investment and Growth in the Time of Climate Change

 

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